Kurz ist das neue Knapp

Es bedarf wohl keiner größeren Erklärungen für diesen Teil meines Blogs. Die folgenden Geschichten werden Euch einen kleinen Einblick in die Situation eines Menschen geben. Es ist Eure Aufgabe, einen Kontext für diese Umstände zu finden und die Bedeutung auszumachen, welche die jeweilige Geschichte für Euch hält.

 

 

 

Es war eine dieser viel zu heißen Nächte eines nahezu erdrückenden Sommers, der seine frühen Vorboten sandte. Eine unbestimmt besondere Stimmung lag in der Luft, die bereits am frühen Abend zu spüren war, die Atmosphäre war gefüllt mit einer unbeschreiblichen Energie und Kraft, die nur wenige Stunden anhalten würde. In nur wenigen Stunden würde dieser magische Zauber verflogen sein. Eine Nacht zum schreiben, eine Nacht ganz für mich in der ich ganz selbst sein konnte. Die Stimmung in dem kleinen stickigen Raum war bereits vor einiger Zeit gekippt, eine unangenehme Anspannung lag in der Luft und mir blieb keine andere Wahl, als alledem zu entfliehen und meinen Geist zu befreien. Keine Lust auf lange Diskussionen und Erklärungen, verließ ich bestimmt, aber ruhig das Zimmer und lief den langen Ganz hinunter, mein Schreibzeug unter dem Arm, bereit, dieser Nacht die Worte zu entlocken. Ich erinnere mich nicht mehr genau, warum wir uns nicht mehr anschauen konnten, während der letzten Woche schien unsere Beziehung in eine oberflächliche Routine übergegangen zu sein. Wobei oberflächlich wohl nicht das richtige Wort war. Weiterhin tauschten wir liebe Worte und Gesten aus, jedoch schien uns etwas verloren gegangen zu sein.Wir redeten nicht mehr miteinander, wie wir es früher getan hatten, tiefgreifende, philosophische, aber auch ernste und persönliche Gespräche, die ich so mit ihm zu führen liebte, waren zur ersehnten Seltenheit geworden.Fasste ich den Mut und sprach das Thema an, wurden meine Bedenken mit einer milden Handbewegung und mir den Worten abgetan, dass jeder gerade eben viel zu tun habe und einem dies und das durch den Kopf gehen würde – ich solle mir nicht so viele Gedanken machen.Doch das genaue Gegenteil sollte jedes Mal die Folge sein, natürlich machte ich mir Gedanken, aber für meinen Teil war mir sehr klar, dass ich gewillt war, für diese Beziehung zu kämpfen. Wie er das sah, konnte ich weder einschätzen, noch ergründen, ein Tabu Thema, das von beiden Seiten tunlichst vermieden wurde. Aus Angst, sich und den anderen zu verletzen. Aber vielleicht hätte es weniger weh getan, endlich Gewissheit über die Gefühle des anderen zu haben. Davonzurennen machte keinen Sinn, das war sicherlich beiden klar, jedoch schienen wir uns nicht aufeinander zuzubewegen. Obwohl wir die Mauern um uns herum hatten einreißen können, lebte doch jeder weiterhin für sich in einer Schale, die er um sich herum aufgebaut hatte und nicht zu verlassen im Stande war.Vielleicht hätte ein klärendes Gespräch bereits geholfen, diese Missverständnisse auszuräumen, doch fehlte uns scheinbar die Kraft, aufeinander zuzugehen.Ich fragte mich, ob dieses eiserne Schweigen etwas mit fehlendem Vertrauen zu tun hatte. So, konnte ich jedoch für mich persönlich diese Frage mit einem klaren NEIN beantworten, ich vertraute ihm, wie ich zuvor noch niemandem vertraut hatte, er kannte meine Geheimnissen, meine Sehnsüchte und meine Ängste.Möglicherweise sag die Situation aus seiner Perspektive weniger verfahren und düster aus, also ich sie empfand. Und vielleicht war genau dies der Grund dafür, warum er das Thema von sich aus nicht ansprach – weil es für ihn kein Thema war. Mittlerweile hatte ich die kleine hölzerne Pforte erreicht und schob mich ins Freie. Die leichte Brise und der Geruch von frisch geschnittenem Gras wirkten wie Balsam auf meine Seele. Ich schloss für einen Moment die Augen um die Nacht auf mich wirken zu lassen. Die Blätter der Bäume rauschten. Ich zog meine Schuhe aus und setzt meine nackten Füße in das knöchelhohe Gras. Ich lief an der Hecke entlang zu den Bäumen hinunter, die sich nun schwarz gegen das dunkle Blau des Himmels abhoben.

 

 

 

 

„Erzähl es mir.“ Ich schaute überrascht auf, seine Stimme hatte mich aus meinen Gedanken gerissen. Verständnislos und gedankenverloren blickte ich ihn an. „Was ist los? Ich merke doch, dass Dich etwas beschäftigt und das bereits seit einigen Tagen.“, kam die Erklärung. Ich wusste nicht genau, was ich antworten sollte, schüttelte langsam den Kopf und wandte den Blick ab. Er war aufgestanden und zur offenen Tür hinüber gelaufen, sodass er nun mit dem Rücken zu mir stand. Ich wusste genau, dass er meine Reaktion nicht als Antwort hinnehmen würde und ihn mein Kopfschütteln nur noch weiter beunruhigte. Hände in den Taschen seines Anzuges, starrte er hinaus übers Wasser, dass sich unter einer sachten Brise leicht kräuselte. Die Sonne war gerade untergegangen und tauchte die Umgebung in Blau- und Grüntöne. Nur am Horizont war noch ein schmaler gelber Streifen zu sehen. Die Minuten der Stille zwischen uns schienen sich zu einer kleinen Ewigkeit auszudehnen, bis ich ihn schließlich tief einatmen hörte. „Du hast Dich verändert in den letzten Wochen.“ Mein Herz setzte einen Schlag lang aus, da ich nicht wusste, was als nächstes folgen würde. Er drehte den Kopf, sodass ich sein Profil sehen konnte, ohne dass er mich jedoch ansehen konnte. Ganz, als ob er eine Antwort von mir erwartete. Doch irgendwie fand ich mich nicht dazu in der Lage, auch nur die geringste Reaktion von mir zu geben. Stille. Er seufzte und wendete sich erneut ab. Ich wusste genau, dass ich ihn mit meinem Verhalten zur Weißglut trieb und mich hier auf ganz dünnem Eis bewegte. „Du sprichst kaum noch, ziehst Dich immer mehr zurück und ich habe das Gefühl, dass ich gar nicht mehr an Dich herankomme.“ Es dauerte einen kurzen Moment, dann fügte er hinzu: „Ich habe Angst um Dich!“ Meine Gedanken rasten und ich wünschte mir, der Boden würde sich unter mit auf tun und mich verschlingen. Mehr würde er nicht sagen, ich war an de Reihe. Ratlos stand ich von der Bettkante auf und wusste nicht, was sagen ihn zu verletzen und die Situation noch weiter zu verschärfen.Seine Worte hatten sich wie Messer in meine Seele gebohrt. Mir war nicht bewusste, dass sich etwas an meinem Verhalten geändert hatte und erst recht nicht in eine solch bedenkliche Richtung, wie er es soeben dargestellt hatte. Mir war jedoch wohl bewusst, dass sich Einiges für mich verändert hatte in letzter Zeit. Jedoch ließ sich nicht festmachen, woran diese Veränderung lag oder was sie ausgelöst haben mochte. Allerdings waren dies nur unterschwellige Gedanken, die ich nicht in der Lage war, in Worte zu fassen oder zu teilen. Die Stille zwischen uns breitete sich immer weiter in dem kleinen Raum aus. Umfasste alles umliegende und verschluckte uns gänzlich. Ich durfte den richtigen Moment nicht verpassen, dass es uns nicht mehr möglich war, einander ohne Bedauern in die Augen sehen zu können.Ich durchquerte langsam den Raum und legte von hinten die Arme um seine Mitte. Die Anspannung war deutlich zu spüren, jeder einzelne Muskel seines Körpers war angespannt – bester Ausdruck seiner inneren Aufgewühltheit. Er reagierte nicht unter meiner Berührung, so wie ich es gehofft hatte. Ich legte meine Wange gegen seinen Rücken und atmete den vertrauten Geruch ein, der mich wie ein schützendes Schild umfing.„Gib mir Zeit.“, mehr bekam ich nicht heraus. Ein verächtliches Schnauben folgte dieser Eröffnung, die Anspannung erhöhte sich und er ließ den Kopf auf die Brust fallen, Ich konnte die Enttäuschung förmlich riechen. Mit einem Ruck löste er meine Hände von sich und drehte sich zu mir um. Bevor ich wusste, wie mir geschah, packte er mich an den Schultern, wie ein kleines Kind, das etwas falsch gemachte hat. „Ich dachte Du vertraust mir.“, es klang wie eine Frage, aber ich wusste, dass es keine war und es traf mich tief ins Mark, dass er glaubte, dass ich ihm nicht vertraute. Er ließ meine Schultern los, schaute mich ein letztes Mal enttäuscht an und verließ dann das Zimmer. Der Luftzug, der durch die geöffnete Tür über mein Gesicht strich, brannte wie Feuer auf meiner Haut. Wie ein geprügelter Hund stand ich vor der geöffneten Tür und ließ den Blick über das Wasser gleiten. Vertrauen, ja, das war schon immer mein Problem gewesen. Mich anderen Menschen anzuvertrauen, stellte für mich ein unüberwindliches Hindernis dar, von dem ich keine Ahnung hatte, wie ich es überwinden sollte. Eines wusste ich dagegen sehr genau: dass ich meinen Mitmenschen damit ungewollte weh tat und die Mauer um mich herum so nicht einreißen würde. Im Gegenteil, sollte ich genauso weitermachen, würden sich diejenigen Menschen von mir abwenden, die mir so wichtig waren. Die Wände des Zimmer schienen plötzlich auf mich einzudringen, ich hatte das Gefühl zu ersticken. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und verließ das Haus durch die Terrassentür. Barfuß lief ich den kleinen Hügel hinter dem Haus hinunter zum Strand. Der Sand war immer noch warm, hatte die Kraft der Sonne gespeichert. Es dauerte nicht lange und ich hatte die Brandung erreicht, kühle Wellen umspülten meine Füße. Der Mond warf sein fahles List über das schwarze Meer und glitzerte auf den Kronen der Wellen. Das sanfte Rauschen hatte eine beruhigende Wirkung auf mich, in der Luft lagen Salz und Erinnerungen. In Gedanken ließ ich die letzten Stunden Revue passieren, wie im Film zogen die Bilder an meinem inneren Auge vorbei.